BTV Stadtforum Innsbruck

15 November 2006

TEXT & FOTOS: LIA RÖCK, ERSCHIENEN IM FORUM/SKIN 02/06

Hochleistungsbeton für Fensterrahmen

Als „Stadtforum Innsbruck“ präsentiert sich das neue Gebäude der Bank für Tirol und Vorarlberg AG (BTV) mit sechs Obergeschossen und zwei Tiefgaragen.
Den Architektenwettbewerb hatte der in Wien arbeitende Tiroler Architekt Mag. Heinz Tesar für sich entschieden, wobei das Büro von Architekt Dipl.-Ing. Johann Obermoser aus Innsbruck die Bauleitung vor Ort übernahm.

Die Fassade des Eckgebäudes zeichnet sich durch Großzügigkeit und Mut zum Experiment, Grenzen des verwendeten Materials auszuloten, aus. Die nach Westen orientierte Front ist in sechs Felder, abwechselnd durch schmale Fenster jeweils akzentuiert durch hervortretende Fensterbänke bzw. durch übergroße verglaste schubladenartig vorstehende Rahmen gegliedert. Die südliche, wesentlich kürzere Fassade ist in den Obergeschossen ausschließlich mit großflächigen Fenstern gestaltet.

Eindrucksvoll wird die Ecklösung zelebriert – eine Art Eckturm ergibt sich aus einer Verschränkung der Betonfensterrahmen. Hier präsentiert sich in einer gelungenen Verquickung aus Material und Form die meisterlich geführte Handschrift des Architekten.
Die Schmalseite und zugleich der Haupteingangsbereich des zukünftigen „Stadtforums“ wird gesäumt von länglich schmalen, eng aneinandergereihten grünlich-silbern schimmernden Pflastersteinen. Es handelt sich dabei um Valser Quarzit, der sich im Sockelbereich der Fassade fortsetzt und ein Band aus steinerner Patina verzahnt mit schmalen hohen Fenstern bildet, das den gesamten Erdgeschossbereich des Bankgebäudes umgibt.

Das imposante Erscheinungsbild des neuen „Stadtforums“ lässt die hohen Anforderungen hinsichtlich der Bauausführung und Produktanwendung an die damit beauftragten Unternehmen erahnen. Firma Ing. Hans Lang GmbH mit Sitz in Terferns-Vomperbach war für die Produktion, Lieferung und Montage der Stahlbeton-Fensterrahmenelemente zuständig. Den dafür notwendigen Spezialbeton lieferte Firma Schretter & Cie aus Vils in Tirol.

Für die Gestaltung der Fassade wurden 152 Stück Stahlbetonfertigteil-Fensterrahmen mit einer Abmessung von 3,25 x 3,06m, einer Stärke von 8 bis 11cm und einer Tiefe von 34 bis 47cm verwendet. Des Weiteren sind 90 Stück Stahlbetonfertigteil-Fensterbänke sowie 3 Erker mit 18 Stück vorgehängten Vollbetonplatten an der Fassade angebracht worden.

Die Produktion der Bauteile erforderte höchste Präzision in Bezug auf Schalung bzw. die Betonverarbeitung. Die Vorgaben des Architekten lauteten:

  • Völlig lunker- und porenfreier, scharfkantiger Sichtbeton
  • Gleichbleibende, einheitliche Betonfarbe
  • Keine sichtbaren Schalungsstöße, optisch wie aus einem Guss
  • Absolute Maßgenauigkeit +-2mm
  • Völlige Rissefreiheit
  • Druckfestigkeit über 80 MPa
  • Ausschalen nach 18 Stunden

Die Herausforderung bei der Produktion der Fensterrahmen bestand darin, die dünnwandigen Rahmen mit hohem Armierungsanteil aus scharfkantigem Sichtbeton mit optisch gleichmäßiger und einheitlicher Oberfläche zu gestalten. Lunker- und porenfrei sollte der Beton sein sowie keine Schalungsspuren aufweisen. Gleichzeitig sollte eine hohe Druckfestigkeit und eine völlige Rissefreiheit gegeben sein. Eine absolute Maßgenauigkeit und das damit erforderliche geringe Schwinden des Betons waren Voraussetzung für die Umsetzung der Fensterrahmen.

Die statisch notwendige hohe Druckfestigkeit bei gleichzeitig extremer Fließfähigkeit des Frischbetons (Voraussetzung aufgrund der schlanken Bauteilabmessungen) konnte mit dem Produkt „ViscoFill 4“ der Firma Schretter & Cie erreicht werden.

Kennwerte Fertigprodukt ViscoFill 4:

  • Verarbeitung mit W/B-Wert (Wasser-, Bindemittelwert) = 0,26
  • Klinkergehalt im Frischbeton ca. 200 kg/ m³ (=> niedrige Hydratationswärme und niedriges Schwinden)
  • 0,2 % v. BM Hochleistungsverflüssiger

Es handelt sich dabei um ein werksgefertigtes Trockenbetongemisch, das mit Wasser angemischt, selbstnivellierende und selbstverdichtende Eigenschaften besitzt. Darunter versteht man einen Beton, der sich ohne Verdichtungsarbeiten (Stochern oder Rütteln wie beim herkömmlichen Beton üblich) mit einer maximalen Steigung von 2 cm/m von selbst in der Schalung ausbreitet. Das Fließmaß (= Ausbreitmaß ohne Stöße) beträgt bei diesem Beton ca. 60-70cm. Im Vergleich dazu weist ein herkömmlicher Beton ein Ausbreitmaß von 35-48 cm nach 15 Stößen auf.

Um eine hohe Druckfestigkeit bei extremer Fließfähigkeit des Frischbetons zu erreichen, muss der Wasseranspruch der Gesamtmischung minimiert werden. Dies wird erreicht, indem sowohl Bindemittel als auch Sand und Kies eine Kornverteilung mit minimalem Zwischenraum und damit minimalem Wasserbedarf aufweisen.

Im Prinzip könnte für eine ausreichend hohe Druckfestigkeit auch plastischer Beton verwendet werden, allerdings muss man höchste Sorgfalt beim Betonieren und Verdichten aufbringen. Außerdem besteht bei zu langem Rütteln die Gefahr der Entmischung. Dies macht sich durch unschöne Schlieren an der Betonoberfläche nach der Ausschalung bemerkbar.
Bei trockenem, erdfeuchtem Beton könnte die Schalung sofort entfernt werden, jedoch wird diese Betonart aus Kostengründen nur bei kleinen Formsteinen, wie Pflastersteinen oder Dachziegeln eingesetzt. Die bei der Verarbeitung notwendigen Rüttelpressen müssen eigens an die Schalung angepasst werden, was im Fall der Fensterrahmenelemente für das „BTV Stadtforum Innsbruck“ mit unverhältnismäßig hohen Kosten und technischen Schwierigkeiten verbunden gewesen wäre.

Lunker und Poren entstehen vor allem durch Lufteinschlüsse im Beton aber auch, wenn der Beton Wasser an der Schalwand absondert. Bei SCC (self-compacting-concrete) bzw. selbstnivellierendem Beton besteht keine Notwendigkeit für Verdichtungsarbeiten und allfällige Lufteinschlüsse entweichen schon nach kurzer Fließstrecke. Somit kann bei Verwendung von SCC ein von Lufteinschlüssen freier Beton von sehr gleichmäßiger Oberflächenbeschaffenheit erzielt werden.

Schwinden, bzw. die Verkürzung infolge Austrocknung ist eine Eigenschaft, die jeder Beton mehr oder weniger besitzt.
Das Schwindmaß wird von folgenden Parametern negativ beeinflusst, bzw. erhöht: Je höher der Wassergehalt des Betons, je höher die Feinheit des Bindemittels, je feiner die Körnung und je höher die Zementdosierung umso höher das Schwindmaß. Ziel war, ein möglichst geringes Schwindmaß zu erreichen.

Da das Größtkorn und der Bindemittelanteil durch die Anforderungen im Wesentlichen festgelegt waren, konnte das Schwindmaß nur mehr durch einen speziellen Zement mit geringem Wasserbedarf und infolgedessen niedrigem W/B-Wert (Wasser-/Bindemittelwert) begrenzt werden. Der eingesetzte selbstnivellierende Beton (ViscoFill 4) besitzt durch seinen extrem niedrigen W/B-Wert einen für diese Körnung sehr geringes Schwindmaß.
Die Einhaltung des geringen Schwindmaßes war sowohl für die Maßgenauigkeit der Bauteile als auch für die Rissefreiheit von Bedeutung. Die Betonfertigteile wurden durch eine dreitägige Feuchtlagerung nachbehandelt, welche bewirkt, dass während dieser Zeit kein Schwinden auftritt und der Beton Zeit gewinnt, seine innere Zugfestigkeit auf ein ausreichendes Maß zu steigern, sodass die Schwindkräfte, die ja Zugkräfte sind, nicht zur Rissbildung führen können.

Rissefreiheit bedeutet, dass keine sichtbaren Risse vorhanden sein dürfen. Dies hat sowohl optische als auch technische Bedeutung. Die technische Bedeutung zielt auf die Dauerhaftigkeit ab. Risse, die größer als 0,2 mm sind, haben nachteilige Wirkung auf die Korrosionsbeständigkeit der Bewehrung. Risse kleiner als 0,2 mm hingegen sind unschädlich.

Man kann also zusammenfassend sagen, dass im Praxisbetrieb für derartig geformte Fertigteile ein lunker- und porenfreier sowie scharfkantiger Beton mit entsprechender Druckfestigkeit und Rissefreiheit (infolge geringen Schwindens) nur mit einem SCC (self-compacting-concrete) bzw. selbstnivellierenden Beton herstellbar ist.

Hinsichtlich der Herstellungsmethode der Fensterrahmen wurden vorab von der Firma Ing. Hans Lang GmbH mehrere Versuche getätigt. So bestand eine der Aufgaben darin, ein System für das Einbringen des Betongemischs in die Schalung zu entwickeln.
Der selbstnivellierende Beton kann aufgrund seiner Beschaffenheit an einem Punkt der Schalung eingebracht werden und verteilt sich ohne Verdichtungsarbeit gleichmäßig auf die Form.
Es konnte aber festgestellt werden, dass sich durch lange Fließstrecken ungleichmäßige Schlieren an der Betonoberfläche bildeten. Mikroskopisch kleine Russpartikel in kaum messbarer Konzentration, die beim Trocknen der Gesteinskörnungen im Trocknungsofen entstehen, wurden als die Verursacher des Marmoreffekts erkannt.
Dieser Effekt mag möglicherweise manch einen Architekten zu ekstatischen Freudenschreien bewegen, jedoch tritt dieser leider nur ungleichmäßig und nicht kontrollierbar auf. Deshalb entschied man sich dann auch für die sichere Variante des gleichmäßig optischen Betons. Dieses Ziel konnte dadurch erreicht werden, dass die Fließstrecke des einzufüllenden Materials so gering wie möglich gehalten wurde.

Der Frischbeton wurde über vier Rinnen, die jeweils in eine der nahezu quadratischen Fensterseiten mündete, in die Schalung eingebracht und vollgefüllt. Aufgrund der selbstnivellierenden und selbstverdichtenden Eigenschaft war ein Rütteln nicht notwendig und auch nicht erwünscht.
Durch die kreuzförmig angeordneten vier Rinnen, die gleichzeitig befüllt wurden, entsprach die jetzige Fließstrecke nur mehr einem Viertel der vorhergehenden. Dadurch wurde das Aufschwemmen der Rußpartikel an die Oberfläche verhindert und ein optisch einheitlicher Beton erzielt.

Die Aufmerksamkeit bei den Versuchsreihen galt auch der Wahl eines optimalen Abstandshalters zwischen den Bewehrungsstäben und der Schalung.

Die Betonfertigteilelemente sind verhältnismäßig dünnwandig und mussten daher mit einem hohen Armierungsanteil versehen werden, um den hohen Biegekräften aufgrund der Größe der Fensterrahmen ausreichend gerecht zu werden. Auch hierbei war das Ziel eine gleichmäßige Betonoberfläche zu erhalten, die daher auch frei von Abdrücken der Abstandhalter sein musste. Als optimal erwies sich ein halbkugelförmiger Abstandshalter aus Beton, der die Schalung nur punktförmig berührt und deswegen an der Betonoberfläche nicht sichtbar ist.

Der Transport der Trockenmischung von Vils nach Vomperbach stellte eine weitere Herausforderung dar. Es zeigte sich nämlich, dass die ofentrockene Mischung mit Größtkorn 4 mm während des Transportes leicht entmischte. Die daraus resultierende Abweichung von der einzuhaltenden Sieblinie (Fullerlinie) konnte nicht in Kauf genommen werden, da die Qualität des Betons darunter litt.
Um eine Entmischung zu vermeiden, erfolgte die Anlieferung in das Fertigteilwerk in zwei Fraktionen, das heißt es wurde die Mörtelkörnung 0/4 mm in zwei Kornfraktion 0/1,5 mm sowie 1,5/4mm aufgeteilt und getrennt angeliefert. Erst vor Ort wurden die beiden Fraktionen entsprechend dem geforderten Verhältnis dem Zwangsmischer zugeführt und gleichzeitig mit dem notwendigen Zugabewasser vermischt.
Anschließend wurde der Frischbeton im Transportbehälter zur Schalung befördert und über die oben beschriebenen kreuzförmig angeordneten Verteilungsrinnen in die Schalung eingebracht. Die Schalungen wurden aus verleimten Mehrschichtplatten vor Ort hergestellt.
Als optimaler Abstandshalter hat sich die bereits erwähnte Halbkugelform aus Beton, die mit Wasser vorbenetzt werden musste, erwiesen. Das verwendete Material erlaubt nach mäßiger Erwärmung in der Heizkammer Ausschalfristen von ca. 12 Stunden. Aufgrund des festgelegten Arbeitsablaufs wurden die Teile jedoch erst nach ca. 18 Stunden aus der Schalung gehoben. Die Schalung wurde nicht, wie normalerweise üblich, beheizt, da dies bei der verwendeten Betonmischung nicht notwendig war und aufgrund der geforderten Rissefreiheit eher kontraproduktiv gewesen wäre.

Nach Ausschalen der Betonfertigteile wurden diese nicht sofort auf die Baustelle weitertransportiert, sondern mindestens zwei Tage mit einem wassergetränkten Vlies abgedeckt bzw. nachbehandelt und einige Tage zwischengelagert.

Für den Transport und zur Stabilisierung wurden die Betonfertigelemente mit einem aussteifenden Holzkreuz versehen. Die Montage war zum Teil mit großen Schwierigkeiten verbunden. So mussten die Versetzarbeiten mit Kranstandplätzen auf der Tiefgarage und in den Innenhöfen erfolgen. Teils mit dem Baukran und auch mit Spezial-Hubgeräten wurden die Rahmen genau positioniert und mit Edelstahlwinkeln befestigt.

Für die perfekte Umsetzung des neuen Bankgebäudes war eine intensive Zusammenarbeit und ein optimales Zusammenspiel der ausführenden Firmen mit Architekt und Bauleitung sowie die Entwicklung von innovativen Lösungen und ein rasches Reagieren aller Beteiligten Vorraussetzung.
Das Resultat kann sich jedenfalls sehen lassen. Hier wurde eine Vision der Großzügigkeit und Offenheit von einem „Stadtforum“ für die Hauptstadt Tirols durch eine gelungene Kombination aus Gestaltung und technischer Ausführung Wirklichkeit.

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