Wie wohnen wir morgen? - Internationale Bauausstellung IBA Wien

29 Juni 2020

IBA Wien Aufgrund der Covid-19 Pandemie Restriktionen zwar etwas zeitversetzt, findet die die ursprünglich für April geplante Zwischenpräsentation der IBA Wien nun vom 8. September bis zum 22. Oktober statt. Die finale Ausstellung eröffnet 2022. Um mehr zum grundlegenden Konzept der IBA Wien zu erfahren, hat FORUM den Koordinator der IBA Kurt Hofstetter in seinem Büro besucht.

Der Ursprung der IBA geht von Deutschland aus, wo die erste Ausstellung 1901 in Darmstadt erfolgte. Innerhalb eines Jahrhunderts entwickelte sich das Format der IBA zu einem Experimentierfeld der Stadt- und Regionalentwicklung und damit zu einem besonderen Markenzeichen der Planungskultur in Deutschland.
Mit IBA Wien und zuvor noch IBA Basel, die bereits in diesem Jahr vom 27. Juni bis 27. September stattfinden soll, wird zum ersten Mal außerhalb Deutschlands eine IBA abgehalten. Basel steht unter dem Motto „3 Länder – Deutschland, Schweiz, Frankreich – eine Region – ein Ziel: Gemeinsam über Grenzen wachsen“. In Zeiten von Covid-19 Pandemie Restriktionen gegenüber angrenzenden Ländern ist dies ein durchaus aktuelles und hoffentlich wieder mögliches und dementsprechend gelebtes Thema.
Wien stellt sich mit der Internationalen Bauausstellung die Aufgabe, wegweisende Lösungsvorschläge und Zugänge in den Bereichen Neubau, Bestandsentwicklung und Zusammenleben zu finden. Initiiert wurde die IBA Wien 2016 vom damaligen Wohnbaustadtrat und heutigen Wiener Bürgermeister Michael Ludwig. Als Veranstaltungsort für die Zwischenpräsentation werden die Räumlichkeiten des ehemaligen Sophienspitals im 7. Wiener Gemeindebezirk in unmittelbarer Nähe zum Westbahnhof dienen. Seit Beginn dieses Jahres wurde der Komplex als Zwischennutzungsprojekt für Ateliers und Veranstaltungen für kreativ Tätige vom Eigentümer Wohnfonds Wien zur Anmietung zur Verfügung gestellt.
Das Thema der IBA Wien „Wie wohnen wir morgen? Neues Soziales Wohnen?“ entspricht thematisch dem derzeit laufenden Bauträgerwettbewerb für das Gelände des ehemaligen Spitals, denn hier soll zukünftig geförderter Wohnbau im Neu- und Altbau entstehen. Die Fragen, die sich gerade die involvierten Bauträger, Projektentwickler und Architekten im Rahmen des Wettbewerbs möglicherweise stellen, werden hier im Herbst komprimiert im Rahmen der IBA Wien Zwischenpräsentation anhand von über 100 bereits in Planung bzw. Ausführung begriffener Projekte präsentiert.
Die Internationale Bauausstellung ist aber nicht nur eine Ausstellung. Ihr liegt ein Arbeits-, Beteiligungs- und Einbindungsprozess von unterschiedlichsten Interessensgruppen und Fachleuten über mehrere Jahre, meist bis zu einer Dekade, zugrunde. Mit neuen Ideen und Projekten im sozialen, kulturellen und ökologischen Bereich werden Impulse für die Stadtplanung und den Städtebau der jeweiligen Region gesetzt. Kennzeichen einer IBA sind außerdem offene Strukturen ohne normierte Qualitätskriterien. Eine IBA muss bzw. kann sich quasi jedes Mal neu erfinden!

Lia Röck im Gespräch mit Kurt Hofstetter

Herr Hofstetter, Sie koordinieren die IBA in Wien. Welchen beruflichen Hintergrund haben Sie und was waren Ihre Beweggründe die Leitung der IBA zu übernehmen?
Von meiner Ausbildung her bin ich Landschaftsplaner und war lange Zeit als Leiter der Stadtteilplanung und Flächennutzung in Wien tätig. 15 Jahre war ich sehr intensiv mit der städtebaulichen Entwicklung der Seestadt Aspern beschäftigt. Seit 2016 und dem Start der IBA, bin ich für die Leitung und Koordinierung des Teams verantwortlich. Meine Hauptmotivation oder mein Beweggrund für diese neue Herausforderung war der Wunsch, etwas bewirken zu wollen, das den Bewohnern einer Stadt bzw. der Gesellschaft zugutekommt.

Bezogen auf den Titel der IBA: Wie wohnen wir morgen? Neues soziales Wohnen. Welche Bedeutung hat für Sie „sozial“? Und welches Anliegen verbinden Sie persönlich mit IBA?
Soziales Wohnen hat in Wien eine lange Tradition. Jedenfalls hat der Begriff „sozial“ nicht mit einer fehlenden oder minderen Ausstattung oder mit Armut zu tun, sondern mit Gesellschaft schlechthin. Im Grunde genommen haben zirka 80 Prozent der Bevölkerung in Österreich eine Anspruchsberechtigung auf geförderte Wohnungen. Der soziale Gedanke zieht sich vor allem in Wien durch alle Strategieprogramme. Das macht die Stadt im Vergleich zu anderen Städten wirklich einzigartig. Mit der IBA knüpft Wien thematisch an. WORAN?? Es wurden bewusst Projekte ausgewählt, die einen Schritt weitergehen und etwas Neues ausprobieren. Initiator der IBA war der damalige Wohnbaustadtrat und jetzige Bürgermeister Michael Ludwig. Er hat gesehen, dass eine Notwendigkeit besteht, einen Entwicklungsschub auszulösen und in Gang zu setzen. Ein System, das gut funktioniert, ist auch einigermaßen starr und kann durch ein Instrument wie die IBA wieder die notwendige Offenheit und Flexibilität erhalten. Ziel ist es den Status von Wien als Vorzeigestadt für soziales Wohnen weiter zu halten und vor allem die Qualität weiter zu gewährleisten.

Der Prozess ist ein wichtiges Kennzeichen einer IBA. Wie verlief dieser bisher in Wien?
Im ersten Jahr 2016 wurden Akteure eingeladen, sich einzubringen im Rahmen von Talks bzw. ähnlich eines offenen Calls, um ein Memorandum zu entwickeln, in dem die Ziele und der Qualitätsrahmen abgebildet sind. In weiterer Folge wurde in enger Zusammenarbeit mit dem Wohnfonds Wien die Qualitätsanforderungen für diverse Bauträgerwettbewerbe erarbeitet, unter anderem für das „Quartier am Seebogen“ in der Seestadt Aspern, die Berresgasse und die Wolfganggasse. So kam es, dass unzählige Projekte an uns herangetragen worden sind. Manche sind Forschungsarbeiten oder kleinere Interaktionen, viele Einzelprojekte sind aber auch Quartiersprojekte geworden. Besonders bei den Quartiersprojekten steht mehr das große Ganze im Vordergrund und wie gut das Zusammenwirken miteinander funktioniert als das Einzelprojekt an sich. Letztes Jahr, im Sommer 2019 war etwa Halbzeit für die Entwicklung der Projekte, galt mehr der Qualifizierung, ab jetzt leigt der Fokus auf der Qualitätssicherung und entsprechenden Umsetzung des Vorhabens.

WAS IST DER SINN EINER IBA GENERELL? WAS SPEZIELL WILL MAN IN WIEN DAMIT ERREICHEN?
Der Sinn einer IBA liegt in der Weiterentwicklung und vor allem im Austausch untereinander. Es gibt eine Kooperation zwischen allen laufenden IBAs, auch mit den bereits abgeschlossenen. Wie gesagt das Instrument der IBA geht von Deutschland aus. Dort ist die IBA eng verbunden mit dem zuständigen Ministerium, das wiederum mit dem Expertenrat in Verbindung steht. Der Expertenrat trifft sich regelmäßig und tauscht sich über Ziele, Qualitäten und Ergebnisse der IBA aus. Wien forciert ganz besonders diesen Austausch von Erkenntnissen und Ergebnissen, in dem sogenannte „Korrespondenzstädte“ eingeladen wurden, sich an der IBA Wien zu beteiligen und ebenfalls bis 2022 eigene Projekte in den jeweiligen Städten zu präsentieren. So haben sich Berlin, Köln, Dublin oder auch Vancouver dem Thema des sozialen Wohnbaus angenommen. In Vancouver wird nun beispielsweise ein Haus nach den Standards des sozialen Wohnbaus und des Wiener 4-Säulen-Modells (Architektur, Ökologie, Ökonomie, soziale Nachhaltigkeit) errichtet, aber zugleich die Anwendbarkeit auf lokale Verhältnisse in Vancouver bezogen. Wie viele andere Städte ist auch Vancouver zu der Erkenntnis gelangt, das sozialer Wohnbau notwendig ist, um Städte mit leistbarem Wohnraum versorgen zu können. Im Austausch dazu hat Wien, in Form des „Vancouver Hauses“ in der Waldrebengasse ein Projekt mit 100 Prozent erneuerbarer Wärmeversorgung realisiert, das der kanadischen Holzbautradition entspricht. Wichtig ist für IBA Wien der Forschungsaspekt, der durch die TU Wien und die Universität Wien in Form einer nun jährlich stattfindenden Summerschool zu relevanten Aspekten des sozialen Wohnbaus auch noch nach IBA weitergeführt wird.

INWIEFERN UNTERSTÜTZ DIE IBA DIE AUSGEWÄHLTEN PROJEKTE?
Wir unterstützen IBA Kandidaten vor allem in den Entwicklungsprozessen mit Organisation von Vorträgen oder Workshops bzw., um Themen wie die Idee der „Grätzelgenossenschaft“ bekannt zu machen. Zum Beispiel wurden Busfahrten und Führungen für Kinder zu Quartiersentwicklungsgebieten organisiert, um auch bereits bei den ganz Jungen ein besseres Verständnis für Stadtentwicklungsprozesse zu erreichen. Finanziell haben wir für die Laufzeit der IBA ein zwar nicht großes Budget der Stadt Wien. Wenn man noch Grundlagenforschung oder neue Erkenntnisse braucht, könnten hierfür auch noch Mittel der Wohnbauforschung zum Einsatz kommen.

WELCHE BESUCHER ERWARTEN SIE, WER SOLL ANGESPROCHEN WERDEN?
Wir versuchen die Ausstellung so zu gestalten, dass sie nicht nur für ein Fachpublikum verständlich ist, wir möchten wirklich für alle Interessierten einen Überblick über die Thematik des sozialen Wohnens geben. Das Programm wird auch Bauführungen anbieten, die unsere Intention gut transportieren und Projekte anschaulicher machen sollen. Jedenfalls möchten wir auch die prozesshafte Herangehensweise und Entwicklung der IBA-Projekte vermitteln. Und ich bin fest überzeugt, dass wir damit bereits einen Prozess angestoßen haben, einen Prozess, der erst am Beginn steht, und eben das sollte im Endeffekt die Aufgabe einer IBA ja auch sein – ein Anstoß für neue Entwicklungen mit Laborcharakter.

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