Öffentlicher Raum - Leipziger Hauptbahnhof

16 Oktober 2006

TEXT & FOTOS: LIA RÖCK, TEXT ERSCHIENEN IM FORUM 18/06

Viel genutzt – vernachlässigt – wiederentdeckt – geliebt

Damit könnte in Kurzform der Werdegang der öffentlichen Räume in europäischen Städten beschrieben werden. Der öffentliche Raum, als Freiraum bzw. auch als überdachter Raum verstanden, sollte heutzutage im Idealfall Aufenthaltsqualität für alle bieten zugleich aber sicher und gut gestaltet sowie mit einem umfassenden Nutzungsprogramm für alle Geschmacksrichtungen ausgestattet sein.

Die Erfüllung dieser Ansprüche ist für die öffentliche Raumgestaltung ein Parameter für Qualität. In den letzten Jahren sind diese Anforderungen verstärkt bei Bahnhofsum- bzw. -neubauten forciert worden, um einerseits deren gesunkene Attraktivität zu steigern und andererseits die Rentabilität zu gewährleisten. Ein eindrucksvolles Beispiel dafür bietet der Leipziger Hauptbahnhof. Einst größter Kopfbahnhof Europas mit zentraler Bedeutung für Stadt und Umland, verlor dieser zur Zeit des Kommunismus seinen Glanz und wurde nach dem Sturz der Mauer der Verwahrlosung preisgegeben. Erst Mitte der 90er Jahre konnte durch Eigentumsverlagerungen, umfassende Umbauten und ein neues Nutzungskonzept, der Größe des Bauwerks entsprechend, die Besucher- sowie Nutzerfrequenz sowie die Wirtschaftlichkeit gesteigert werden.

Treibende Kraft dabei war ein privates Unternehmen, die Einkaufs-Centren-Entwicklung (ECE) Projektmanagement GmbH mit Hauptsitz in Hamburg. Die ECE witterte damals ihre Chance einen Einkaufstempel im pompösen Ambiente der Bahnhofsarchitektur des frühen 20. Jahrhunderts zu verwirklichen. Auf der Grundlage eines Erbbaurechts wurde der Leipziger Hauptbahnhof rechtlich und wirtschaftlich aus dem Vermögen der Deutschen Bahn AG ausgegliedert und an die ECE veräußert. Dem Vorhaben stand nun nichts mehr im Weg.
Kreiert und inszeniert wurde ein Raum des Konsums, der gekonnt mit den Funktionen des Bahnhofs verquickt wurde. Abstriche muss die DB zwar hinnehmen, da nun Miete an den Betreiber zu zahlen ist, die Steigerung der Attraktivität und des Images Bahnhof macht dies jedoch bei weitem Wett.

Auch überzeugen die beeindruckenden Zahlen. Bis zu 150.000 Menschen suchen täglich den Bahnhof zu Reise- bzw. Konsumzwecken auf. Dabei stehen rund 30.000m2 als Verkaufsfläche zur Verfügung, wobei auf je einen m2 mit zirka 6.000 € Umsatz zu rechnen ist, Tendenz steigend.

Der Erfolg begründet sich im strikt geführten Management und dem sogenannten „Knochenkonzept“ – An den Enden zwei „Magnetbetriebe“, die den Umsatz sichern mit dazwischen liegenden kleineren längs aufgereihten Geschäften. Neben den längeren Öffnungszeiten trägt aber vor allem die großzügig ausformulierte Architektur im Inneren und das imposante äußere Erscheinungsbild dazu bei, dass sich der Leipziger Hauptbahnhof zu einem der am frequentiertesten öffentlichen Räume in Leipzig gemausert hat.

Obwohl die Hausordnung und das hauseigene Wachpersonal nicht allen Besuchern uneingeschränkt Zutritt gewähren, kann hier doch von einem gelungenen Beispiel für einen öffentlich nutzbaren und nicht nur ausschließlich konsumorientierten Aufenthaltsort gesprochen werden.
Auf das weitere solcher Beispiele folgen mögen!

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