VIETARC 2009 - Architekturmesse in HCMC-Vietnam

15 Juni 2009

TEXT & FOTOS: LIA RÖCK, TEXT ERSCHIENEN IM FORUM PLANEN 12/JUN.09

VIETARC 2009
Erste Internationale Architekturmesse in Vietnam

Vietnam, für viele seit kurzem bekannt als neu zu entdeckendes Urlaubsziel, hat mehr zu bieten als exotisches Abenteuer mit herrlichen, teilweise noch unberührten Stränden und wunderschöner Landschaft, gutem Essen und umgänglichen Einheimischen.
Während der letzten paar Tage war Ho Chi Minh City vormals Saigon, die geschäftige Metropole des Südens von Vietnam, Schauplatz der internationalen Architekturszene.

Die gewaltigen Bauvorhaben in den vergangenen Jahren haben Vietnam für viele ausländische Architekten interessant gemacht. Der zu versorgende Markt ist groß. Mit einer Einwohnerzahl von 86 Millionen und einer Fläche von ca. 330.000km2 ist Vietnam vergleichbar mit Deutschland jedoch etwas kleiner an Fläche und mehr an Einwohnern. Der Großraum Ho Chi Minh City alleine weist ca. 10 Millionen Stadtbewohner auf.
Zudem ist die Bevölkerung sehr jung. So sind 57% unter 30 Jahre. Auch das Wirtschaftswachstum unterscheidet sich wesentlich von europäischen Daten. Trotz Wirtschaftskrise wird für Vietnam für dieses Jahr ein Wachstum von ca. 5% erwartet.

Aufgrund der Erfolge der letzten Jahre hinsichtlich der Architektur wurde nun zum ersten Mal eine vier tägige internationale Architekturmesse in Ho Chi Minh City abgehalten. Ziel war eine Plattform zu kreieren, die einen Austausch von lokalen und ausländischen Architekten ermöglicht und um zukünftige Visionen hinsichtlich der Architektur und Planung in Vietnam zu diskutieren.
Organisiert wurde die Ausstellung von der Architekturgemeinschaft von Ho Chi Minh City und der Gia Phuc Media Joint Stock Company. Die Messehalle wurde erst kürzlich fertiggestellt und war daher der ideale Ort für eine Erstveranstaltung.
Abb. 1: Messehalle SECC (Saigon Exhibition & Conference Center)

Verschiedenste Architekturfirmen aus unterschiedlichen Ländern präsentierten in eigens von jedem Büro selber designten Ständen Hochglanzpläne und Modelle. Nett herausgeputzt standen hilfreiche Vietnamesinnen zur Seite, die den jeweiligen Standbesucher sofort umsorgten. Aber auch kompetente Beratung wurde meist durch den Architekten selbst bzw. durch einen zuständigen Mitarbeiter übernommen.
Abb. 2: Messepersonal

Auch ansonsten war nach asiatischer Manier für Entertainment gesorgt. Ein Restaurant gleich beim Eingang gewährleistete, asiatische Kunden und vor allem die immer essensbereiten Vietnamesen den ganzen Tag in der Messehalle zu behalten. Die modern gestaltete „Relax Ecke“ war mit dekorativen lebenden Sitzpartnern im phantasievollen Outfit ausgestattet, die einem auch beim Entspannen Gesellschaft leisteten.
Abb. 3: Relax Ecke

Aber die meisten Besucher kamen nicht um Auszuspannen. An allen Ecken wurden unermüdlich Business Gespräche geführt. Unter dem Motto: Die Krise überwinden und sich wieder dem gewaltigen Bauboom annähern, der noch vor kurzem das Land bzw. die Baubranche in Trab gehalten hat. Interessierte vietnamesische, russische und andere ausländische Investoren wurden gelockt und mit Broschüren in aufwendigen Verpackungen, Prospekten, originell designten Postkarten und digitalen Versionen wie CDs und DVDs von den jeweiligen Projektarbeiten der einzelnen Büros versorgt.
Abb. 4: Broschüren, Prospekte

Generell ist Kreativität in der Dekoration ein Muss. Besonders wird auf das Interieur sehr großen Wert gelegt. Was in Europa schlicht und einfach gehalten als modern gilt, bedeutet hier zumeist Geldmangel. Üppige Ausstattung in schweren Stoffen und dramatischen Mustern, dunkle schwere Holzmöbel symbolisieren Reichtum und Ansehen. Manch ausländischer Interieur Designer muss sich beim asiatischen Kunden umstellen. Doch Hartnäckigkeit macht sich auch manchmal bezahlt. Immer mehr wird Einfachheit und Funktionalität in Kombination mit reduzierter Dekoration als Qualität geschätzt und verlangt. Immer häufiger sind auch in HCMC Lichtblicke zu sehen von modern gestalteten Apartments, Bars und Geschäften, welche darauf hoffen lassen, dass Kitsch und fragwürdiger Geschmack allmählich verdrängt oder zumindest in einem erträglichen Rahmen gehalten wird. Internationales Design gilt als chic und nicht jeder kann es sich leisten. Daher akzeptiert dann der dekorationsverliebte Vietnamese auch mal ein streng gehaltenes Wohnzimmer mit schlichten klaren Linien und Formen.

Gebildete vermögende Vietnamesen schmücken sich gerne mit ausländischen Geschäftspartnern und Freunden. Diese Art von Kunden wird vom ausländischen Architekten gehegt und gepflegt, denn das Arbeiten bedeutet eine wesentliche Erleichterung zum herkömmlichen vietnamesischen Klienten. Denn diese müssen zum Teil erst durch mühsame und zeitaufwendige Präsentationen von Qualität und Design Stil überzeugt werden.

Die Vietarc Messe bot eine Möglichkeit potentielle Investoren kennenzulernen, die speziell an internationalen Architekturbüros und deren know-how interessiert sind.

Die Messe bot ebenfalls einen guten Überblick über die unterschiedlichen asiatischen Design Stils. So waren Büros aus Japan, China, Singapur, Malaysia, etc. vertreten.

Besonders auffallend war, dass viele japanische Architekten präsent waren. Da verschiedenste japanische Firmen in großem Stil in Projekte vor Ort investieren, ist dies nicht verwunderlich. Auch wird die vietnamesische Architekturszene bei Wettbewerbsgewinnern zumeist von Japanern bestimmt. Im eigenen Land vorhandene wirtschaftliche Probleme, lassen zudem viele Büros nach Vietnam kommen auf der Suche nach Profit.

So konnte sich in den letzten Jahren eine Architektengruppe ganz besonders in Vietnam profilieren. Nikken Sekkei, eines der weltweit größten Architektur- und Ingenieurbüros gewann den zur Neugestaltung des innerstädtischen Bereichs von HCMC ausgeschriebenen Wettbewerb.
Abb. 5: Messestand von Nikken Sekkei

Unter dem Motto „The shining pearl of the Orient, furnished with Dignity, Amenity and Ecology“ sieht dieser Masterplan eine nachhaltige Lösung für die Innenstadt vor. Eine Grünachse soll das Zentrum bereichern. Vorgesehen ist die bereits bestehenden großen Grünzonen mit breiten Alleen miteinander zu verbinden. Die bauliche Struktur des Zentrums soll „Highrise buildings“ vorsehen in Kombination mit der niedrigeren historischen Baustruktur. Der an das Zentrum direkt angrenzende Bereich nördlich der Grünzone sieht eine niedrige Bebauung mit durchwachsenem Grün vor, um ein angenehmes zentrumsnahes Wohnklima zu ermöglichen. Die am Saigon River derzeitigen Hafenanlagen sollen flussabwärts angesiedelt werden, um Platz zu schaffen für eine attraktive Promenadengestaltung entlang des Flusses.
Abb. 6: Modell von HCMC
Abb. 7: Siegerprojekt von Nikken Sekkei, Wettbewerb zur innerstädtischen Neugestaltung von HCMC

Auffallend bei allen vertretenen japanischen Büros ist das Bewusstsein von nachhaltigen Konzepten und das Ziel umweltbewusstes Design anzubieten. So warben auch Nihon Sekkei, Kumo Sekkei, Azusa Sekkei und einige andere mit diesen Werten.
Abb. 8: Messestand von Nihon Sekkei
Abb. 9: Nihon Sekkei, Self sustainable city Modell und Pläne
Abb. 10: Kume Sekkei, Sakura Island Modell und Pläne

Für Vietnam ist dieser Einfluss wichtig, denn nach wie vor wird hier mehr schnell und billig gebaut als das Qualität und nachhaltiges Design herangezogen werden. Jedoch ist sich auch die vietnamesische Regierung durchaus bewusst, dass ein Umdenken längerfristig notwendig ist, um internationale Wettbewerbsfähigkeit erreichen zu können. Die Entscheidung des Stadtkomitees von HCMC für das nachhaltige Konzept von Nikken Sekkei für ein neues Stadtzentrum hat bereits einen Meilenstein gesetzt und lässt auf mehr Projekte dieser Art hoffen.

Doch Asien bleibt, was die Architekturszene anbelangt, nicht unter sich. Immer mehr europäische Architekten versuchen ebenfalls ihr Glück am lokalen Markt. Spanische Architekten punkten vor allem in Wettbewerben mit ihren Projekten. CMV architects, 8ac Spanish International Architects Consortium oder auch die bekannteren Galo Architects haben sich hier vor kurzem einen Namen gemacht.
Abb. 11: Messestand von CMV Architects

Die schon seit längerem erfolgreich tätigen französischen Büros wie Archetype und Arep sind teilweise schon seit fast einem Jahrzehnt in Vietnam tätig. Hauptaufgaben dieser Büros sind „mixed-use developments“. Meist sind die Anforderungen für derartige Bauvorhaben ähnlich. Ein vier- bis fünfgeschossiges Podium dient als Shoppingcenter mit einem Swimmingpool als Abschluss am Dach, welches in Kombination mit Wellness- und Fitnesscenter rentabel vermietet werden kann. Wohntürme von bis zu 35 Stockwerken geben dem Ganzen eine imposante Erscheinung. Allzu dicht werden die Türme teils gesetzt, da aber Höhenbeschränkungen und sonstige Reglementierung doch zumeist in Vietnam Ansichtssache sind und oft auch von den jeweiligen Beziehungen der Bauherrn zur jeweiligen Behörde bestimmt werden, ist die Dichte der Gebäude sehr unterschiedlich.

Neben den Franzosen sind die Dänen im Planungs- und Designbereich in Vietnam stark vertreten. Gemeinschaftlich präsentierten sich dänische Büros wie Utzon, Schmidt/Hammer/Lassen, COWI, C.F.Moller und Kieler architects in einem schlichten weiß gehaltenen Pavillon.
Abb. 12: Messestand Danish Collaboration

Je nach Größe der Projekte kooperieren diese miteinander. So sind Masterplanungen für einen russischen Investor in der Nähe vom Kite surfing Paradies Mui Ne geplant. Hier sollen russische Sportler zur Höchstleistung trainiert werden mit eigens dafür vorgesehenen Sportstätten in Olympiagröße und den dafür notwendigen Wohnräumlichkeiten. Eine kleine Stadt am Meer soll die erforderliche Infrastruktur für einen längeren Aufenthalt gewährleisten mit Entertainment und Kulturangebot.
Abb. 13: Danish Collaboration, Mui Ne Masterplan

Ein weiteres Projekt befindet sich in Danang wo ein Golf Resort geplant ist mit 5 Star Hotelanlage und Villen.
Abb. 14: Danish Collaboration, Danang Masterplan

Eine der größten Ausstellungsflächen an der Vietarc Messe wurde von dem australischen Architekturbüro PTW eingenommen.
Abb. 15: Messestand PTW

Auch bekannt unter dem Namen Peddle Thorp & Walker hat dieses Büro Standorte in Sydney, Peking, Shanghai, Hanoi, HCMC und Abu Dhabi. Speziell in Vietnam konnte in den letzen Jahren einiges realisiert werden. Unter anderem stellt der 2007 im neuen Stadtteil Phu My Hung (HCMC) vollendete Hauptsitz von Unilever eine architektonische Neuheit dar. Besonderen Wert wurde auf intelligente Beschattungssysteme und sinnvolle Durchlüftung des Gebäudes sowie auf eine flexible Nutzbarkeit der Räumlichkeiten gelegt.
Abb. 16: Unilever HCMC, aussen
Abb. 17: Unilever HCMC, innen 1
Abb. 18: Unilever HCMC, innen 2

Die lokalen vietnamesischen Firmen dürfen nicht ganz unbeachtet bleiben. So beeindruckte der schlichte weiße kubische Pavillon von HTT Group.
Abb. 19: Messestand HTT

Das Architekturbüro mit französisch vietnamesischem Besitzer wurde bekannt durch die Renovierungsarbeit der Oper in Hanoi. Mit mehr als einhundert Mitarbeitern zählt HTT nun zu einem der größten lokalen Architekturbüros.
Die Stärke des Büros liegt vor allem in der Kooperation mit international bekannten Stararchitekten wie Arata Isozaki. Wettbewerbsprojekte wie die Bebauung von Diamond Island und Metropolis Thao Dien in Distrikt zwei sind gewonnen worden und sollen nun umgesetzt werden.
Abb. 20: Arata Isozaki, Metropolis Thao Dien

Im hinteren Bereich der Ausstellungshalle befanden sich die Stände von Baufirmen, Developern und diversen Zulieferfirmen.

Neben dem Ausstellungsbereich wurden auch Vorträge abgehalten. Eingeladen waren 17 bekannte lokale und internationale Sprecher, die sich zur Thematik Vietnam äußerten. Die Einführungsrede wurde übernommen durch den Minister für Konstruktion und Planung, den Präsidenten des Ho Chi Minh City Volkskomitees sowie durch den Präsidenten der vietnamesischen Architektengemeinschaft. Eine allgemeine Vorstellung der Ziele für die Masterplanung in Vietnam und die Erweiterung von Hanoi gaben einen guten Überblick über die geplanten Vorhaben.
An zwei weiteren Tagen wurden Vorträge über Themen wie Nachhaltigkeit und Masterplanung sowie globale versus lokale Architektur von Architekten wie Jan Utzon (Utzon Associates Architects, Denmark), Jorn Narud (Narud Stokke Wiig AS, Norway), Akihiko Hamada (Nikken Sekkei LTD), Toby Bath (HOK International (Asia/Pacific) LTD) und vielen weiteren gehalten.

Manch ein Büro hat sich durch die Ausstellung womöglich finanziell etwas übernommen. Die international bemessene Messegebühr, die Anfertigung des Standes selbst und das dazugehörige Werbematerial. Aber im Großen und Ganzen waren die Aussteller zufrieden. Zahllose Visitenkarten konnten ausgetauscht, neue Kontakte geknüpft und alt bekannte vertieft werden. Denn das zählt in Asien zum Teil mehr als das eigentliche Können. Die Beziehungen und Freundschaften, die man sich aufbaut, denn ohne gegenseitiges Vertrauen und Sympathie gibt es kein Geschäft. So werden die meisten Geschäftsgespräche auch in ungezwungenem Rahmen von gutem Essen und Karaoke getätigt. Erst lange danach, wenn man sich gut amüsiert hat, wird ein Vertrag unterzeichnet.

Jedoch für manch nichtasiatischen Investor entsprechen diese umständlichen und langen Vorspiele nicht so ganz seinem Naturell. Doch auch daran war vom Organisator gedacht worden. Eigens dafür bereit gestellte vom allgemeinen Trubel abgeschiedene Räumlichkeiten gewährten eine ruhige Atmosphäre für ernste Gespräche und Vertragsunterzeichnungen.

Die Vietarc Messe hat im Großen und Ganzen überrascht. Einerseits durch die professionelle Organisation der Ausstellung andererseits durch die große Anzahl von international bekannten Architekturbüros, die in Vietnam größtenteils schon tätig sind oder in Zukunft sich hier ansiedeln wollen. Nur einige der Ausstellenden konnten vorgestellt werden. Unzählige weitere auch international bekannte Büros hätten genannt werden können.
Abb. 21: Verschiedene Messestände

Eines ist sicher: Vietnam wird zusehends internationaler auch was die Qualität der Architektur und deren Ausführung betrifft. Zukünftig soll jedes Jahr eine solche Messe stattfinden. Das nächste Jahr kann man auf jeden Fall schon mit Spannung erwarten!

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